Es ist inzwischen klar, dass die Politik der Obama-Regierung dahin geht, so viel Steuergeld wie möglich in die Banken zu pumpen, um eine neue Welle von Zusammenbrüchen zu verhindern. Dahinter steht die Hoffnung, dass sich die Wirtschaft im Jahr 2010 irgendwie wieder berappelt. Dann könnte die Wall Street zu den gleichen spekulativen Praktiken zurückkehren, an denen sich die Finanzaristokratie bereichert und wodurch sie gleichzeitig die tiefste globale Wirtschaftskrise seit den 1930er Jahren verursacht hat.
Das war praktisch die Aussage, die Ben Bernanke, der Vorsitzende des Federal Reserve Board, Anfang der Woche vor dem Kongress machte. In der gemeinsamen Sitzung des Bankenausschusses des Senats und des Finanzausschusses des Repräsentantenhauses sagte er: "Wenn es der Regierung, dem Kongress und der Federal Reserve gelingt, ein gewisses Maß an Finanzstabilität wiederherzustellen - und ich glaube, dann und nur dann - besteht durchaus die Aussicht auf ein Ende der Rezession in 2009 und auf eine Erholung in 2010."
Weil Bankenriesen wie Citigroup und Bank of America am Rande des Bankrotts stehen, und weil eine neue Welle von Verlusten bei Konsumenten und Geschäftskrediten sowie Wohnungsbauhypotheken droht, sah sich die Regierung nach langem Zögern gezwungen, ihre Anteile an den Banken als Gegenleistung für weitere Bargeldzufuhr aufzustocken, um die Bankbilanzen zu stabilisieren.
Um der Wall Street die Angst vor "Verstaatlichungen" zu nehmen, die die Aktionäre mit leeren Händen zurückließen und für Gläubiger große Verluste bedeuten würden, haben Bernanke und die Obama-Regierung diese Woche immer wieder beteuert, die Regierung ziehe nach wie vor den Privatbesitz an den Banken vor.
Bernanke sagte dem Kongress, die Regierung könnte zwar gezwungen sein, erhebliche Minderheitsbeteiligungen an einigen Banken zu übernehmen. Sie habe jedoch nicht die Absicht, die Mehrheit zu übernehmen. Finanzminister Timothy Geithner gab am Mittwoch Details eines Stress-Tests für die Banken bekannt, der den Weg für Hunderte Milliarden neuer Rettungsgelder frei machen solle. Er sagte, Staatsbesitz sei "nicht das Ziel" des Bankenrettungsprogramms der Regierung.
In seiner Rede vor dem Kongress am Dienstagabend machte Präsident Barack Obama klar, dass die Bereitstellung öffentlicher Mittel für die Banken nicht begrenzt sei. "Wir werden mit der vollen Macht der Bundesregierung handeln", sagte er, "damit die großen Banken, von denen die Amerikaner abhängen, genügend Vertrauen und genug Geld haben, um auch in schwierigen Zeiten Kredite zu geben." Er bekräftigte diesen Blankoscheck noch einmal mit der Bemerkung, er werde alles tun, "was nötig ist", und forderte den Kongress auf, "mit mir gemeinsam zu tun, was sich als notwendig erweist".
Die Medien, die alles tun, um in der Bevölkerung Illusionen in Obama zu schüren, verschwiegen die Diskrepanz in der Rede des Präsidenten zwischen seiner Politik gegenüber den Banken und seinen Plänen für die Bevölkerung. Die Menschen, sagte Obama, müssten ihre angebliche "Verantwortung" für die Krise akzeptieren und sich in nächster Zukunft mit stark reduzierten Sozialleistungen abfinden. Er ließ durchblicken, dass die Senkung des Lebensstandards wahrscheinlich von Dauer sein werde. Und während die Staatsfinanzen der Wall Street zur Verfügung gestellt werden, muss die Autoindustrie "völlig umgekrempelt und quasi neu erfunden" werden, damit sie "wettbewerbsfähig" wird. Das ist nur ein Euphemismus für einen massiven Abbau, die Zerstörung von Zehntausenden Arbeitsplätzen, dauerhafte Lohnsenkungen und die Kürzung von Sozialleistungen für die Autoarbeiter.
Die sozialen Folgen dieser Politik wurden in der Finanzplanung der Regierung am Donnerstag in dem Vorschlag sichtbar, das Haushaltsdefizit von 1,75 Billionen Dollar in diesem Jahr auf 533 Milliarden Dollar im Jahre 2013 zu verringern. Dieses Ziel kann nur durch enorme Angriffe auf die Arbeiterklasse erreicht werden. Der Haushaltsplan beinhaltet zusätzliche 250 Milliarden Dollar für die Banken - eine Summe, die von Regierungsvertretern lediglich als "Platzhalter" bezeichnet wurde.
Der Klassencharakter dieser Politik könnte trotz gelegentlicher populistischer Demagogie nicht klarer sein. Das übergreifende Prinzip heißt, den Interessen des reichsten Teils der Bevölkerung, d.h. einer verschwindend kleinen Bevölkerungsschicht, den geringst möglichen Schaden zuzufügen und alles zu vermeiden, was den Reichtum und die Vorrechte der Mächtigen ernsthaft gefährden könnte. Die Folgen für die große Mehrheit der Bevölkerung werden dabei außer Acht gelassen.
Es fällt schon ins Auge, dass inmitten des größten Wirtschaftszusammenbruchs seit der Großen Depression niemand sich ernsthaft mit seinen Ursachen beschäftigt. Niemand unternimmt auch nur den Versuch, die gesellschaftlichen Interessen aufzudecken, die ihm zugrunde liegen, oder die verantwortlichen Banker und Spekulanten zur Verantwortung zu ziehen. Es gibt nicht einmal Pläne für eine spürbare Umstrukturierung des Finanzsystems und der Wirtschaft im Ganzen. Trotz aller Versuche liberaler Kommentatoren, Obama als Speerspitze eines neuen "New Deal" darzustellen, gibt es nichts, was einem Vergleich mit Roosevelts Reformen standhalten würde.
Roosevelt war beileibe kein Sozialist. Er war ein scharfsinniger Verteidiger des amerikanischen Kapitalismus. Er erkannte, dass das Überleben des Systems, das in den Augen der Bevölkerung völlig diskreditiert und von der sozialen Revolution bedroht war, eine deutliche Einschränkung der Macht der Banken und umfassende Interventionen des Staates in das Aktionsfeld des privaten Kapitals erforderte.
Kurz nach seiner Inauguration erließ er das Glass-Steagall-Gesetz, das es Geschäftsbanken untersagte, mit Aktien zu handeln oder andere spekulative Geschäfte zu betreiben. Er legte staatliche Arbeitsbeschaffungsprogramme auf, die eine große Zahl von Arbeitern beschäftigten, wie zum Beispiel die Tennessee Valley Authority, die Millionen Amerikaner in ländlichen Gebieten an das Stromnetz anschloss.
Das war aber in einer Periode, als der amerikanische Kapitalismus noch im Aufstieg zur führenden Industriemacht der Welt begriffen war. Obama versucht, eine Krise zu managen, die das Ergebnis von Jahrzehnte langem Niedergang und Zerfall ist. Der amerikanische Kapitalismus hat sich in das schuldengeschüttelte globale Zentrum des Finanzparasitentums verwandelt. Die amerikanische herrschende Klasse hat in den vergangenen drei Jahrzehnten das Kapital aus der Produktion abgezogen und in verschiedene Formen von Finanzmanipulation umgelenkt, aus der sie riesige Profite zog und sich unglaublich bereicherte. Die Folgen für die Arbeiterklasse waren verheerend.
Ein Meilenstein in diesem Prozess war die Aufhebung des Glass-Steagall-Gesetzes im Jahre 1999 unter dem Demokratischen Präsidenten Bill Clinton, der sich dabei auf eine breite, überparteiliche Mehrheit stützen konnte. Dadurch hatte die Finanzelite freie Hand, die Zukunft des Landes zu verpfänden. Sie stürzte sich in eine beispiellose Spekulationsorgie und schuf einen riesigen Berg von Papierwerten, der jetzt in sich zusammenfällt.
Nichts Vergleichbares zu den öffentlichen Arbeitsprogrammen des New Deal ist im Gespräch, und auch über Strukturreformen wird nicht nachgedacht, denn das gesamte Wirtschaftssystem ist mit diesen parasitären Finanzaktivitäten verquickt. Die mächtigsten Teile der herrschenden Klasse sind gerade jene, die am meisten davon profitiert haben, dass die Schaffung von Reichtum vom tatsächlichen Produktionsprozess abgekoppelt wurde.
Die industrielle Basis Amerikas ist so stark dezimiert, dass es "schon recht wunderlich anmutet" - wie der Wirtschaftskommentator der New York Times, Louis Uchitelle, letztens anmerkte - wenn in dem 787 Milliarden schweren Konjunkturprogramm eine Klausel "Kauft Amerikanisch" steht. Uchitelle schreibt, dass viele der Industriegüter, die für die Infrastrukturprojekte des Pakets benötigt werden, in den USA gar nicht mehr produziert werden und importiert werden müssen. Er weist darauf hin, dass im letzten Jahr 37 Prozent aller in Amerika verkauften Industriegüter importiert waren, das ist mehr als das Doppelte von 1991 und fast vier Mal soviel wie 1978.
Am Mittwoch gab Obama bekannt, dass die Regierung eine Neufassung der staatlichen Regulierung des Bankensektors plane. Doch selbst dabei gab er zu verstehen, dass es keine Rückkehr zu der Regulierung vergangener Jahrzehnte geben werde, und dass die Banken mehr oder weniger zu ihren spekulativen Geschäften zurückkehren könnten. "Freie Märkte sind der Schlüssel zu unserem Fortschritt", erklärte er und fügte hinzu, es werde nichts getan, was "die Finanzhäuser behindert".
Seine Rede vom Dienstagabend stellte eine Art politischer Erpressung an der amerikanischen Bevölkerung dar. Obama erklärte, die einzige Alternative zur Plünderung der öffentlichen Kassen für die Rettung des privaten Bankensystems sei die wirtschaftliche Katastrophe. "Die Kosten unseres Handelns werden hoch sein", sagte er, "aber ich versichere euch, die Kosten eines Nicht-Handelns wären viel höher, denn es könnte dazu führen, dass die Wirtschaft nicht monatelang, sondern jahrelang lahmt, vielleicht ein ganzes Jahrzehnt lang."
Das ist politische Erpressung und beruht auf einer Lüge. Es gibt eine Alternative zur Verarmung der Bevölkerung, um die Banken zu retten. Und das ist eine sozialistische, revolutionäre Politik gegen das so genannte "System der freien Marktwirtschaft" und den ökonomischen Würgegriff der Finanzaristokratie.
Die wirkliche Alternative ist eine Massenbewegung der Arbeiterklasse, die für die entschädigungslose Enteignung der Banken und ihre Umwandlung in öffentliche Dienstleistungsunternehmen unter demokratischer Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung kämpft. Nur so kann eine geplante und gesellschaftlich fortschrittliche Wirtschaftspolitik erreicht werden, die Armut beseitigt, Arbeitsplätze schafft und die Bedürfnisse der Menschen nach Bildung, Wohnungen, Krankenversicherung und einer sicheren Rente befriedigt.
Dafür muss die Arbeiterklasse von den beiden Parteien der Finanzoligarchie brechen. Sie muss in den Vereinigten Staaten und weltweit für den unabhängigen Kampf um die politische Macht mobilisiert werden.
Das ist die Politik der Socialist Equality Party.